Anfang des Monats präsentierte die Modemarke GAP der Welt am 4. Oktober ihr neues Logo. Habe ich damals zu diesem Thema nur einen Tweet hinterlassen, so sind die jüngesten Ereignisse diesbezüglich doch einen Blogeintrag wert. Um was gehts?
Die Logo-Krise im Überblick
Nachdem das Unternehmen das seit über 20 Jahren bestehende Logo einem Rebranding unterzogen hatte (oben rechts), ging ein Raunen durch die Onlinewelt, das schon Shitstorm-Ausmaßen nahekommt. Harsche Kritik kam von allen Seiten. Kommentare wie “Back to Helvetica”, “Mind the Gap” und “A child using a clipart gallery would have done a better job” kursierten auf Twitter, Facebook und Blogs. Parallelen wurden gezogen zur Periodentabelle, die manch einer noch aus dem Chemieunterricht kennt. Selbst GAP-Logogeneratoren machten von sich reden. Der Protest gipfelte darin, dass jemand dem neuen Logo einen eigenen Twitter-Account verpasste. Innerhalb kürzester Zeit stieg die Zahl der Follower auf dem Fake-Account in den Tausenderbereich.
Die Reaktion des Modelabels: Man begann, zurückzurudern. GAP rief die User auf, eigene Designs einzubringen, manövrierte jedoch auch hier in eine Sackgasse, da die Kritik nicht verebbte. Am 12. Oktober rekapitulierte die Organisation dann endgültig und veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der Marka Hansen, Präsident von GAP Nord Amerika, die Rückkehr zum alten Logo verkündete. Über 770.000 Menschen folgen GAP auf Facebook, es ist also nicht überraschend, dass GAP seinen Rückzug hin zum alten Logo (oben links) zuerst dort veröffentlichte:
“We’ve heard loud and clear that you don’t like the new logo. We’ve learned a lot from the feedback. We only want what’s best for the brand and our customers. So instead of crowd sourcing, we’re bringing back the Blue Box tonight” (GAP).
Analyse aus der Sicht der Organisationskommunikation
Manche halten dies für eine ausgeklügelte Marketingstrategie. Der Rückzug hin zum alten Logo (oben links) hat es sogar in die Abendnachrichten geschafft. Doch sowohl dort, als auch in den meisten Blogs wird von einem strategischem Fiasko gesprochen (Advertising Age, Mashable).
Die Stakeholder nehmen eine Schlüsselposition ein
Betrachtet man diese Hintergründe aus der Perspektive der Organisations-Kommunikation, so finden sich hier etliche Anknüpfungspunkte zu Theorie-Konzepten des Organisationalen Lernens und Organisationalen Wandels. Jedes Unternehmen besitzt von Anfang an eine Identität: Die Art und Weise, wie es geführt wird, wie Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden, all das bestimmt den Charakter und fließt in die Organisationskultur mit ein. Ein Logo ist fester Bestandteil dieser Kultur, erst recht, wenn es schon seit über 20 Jahren das Aushängeschild des Unternehmens darstellt.
Stakeholder wollen sich in dieser Kultur wiederfinden, sie hegen Ansprüche an die Verhaltensmuster und Entscheidungen einer Organsation. Dabei wird auch das visuelle Auftreten kritisch in Betracht gezogen. Letzteres nimmt erst recht einen zentralen Stellenwert bei Anhängern eines Modelabels ein, stehen hier Dinge wie Fashionprodukte, Design und visuelle Überzeugungskraft doch tagtäglich auf der Agenda. Erwartet wird, dass diesen Ansprüchen seitens der Organisation gerecht geworden wird. Und GAP hat mit der Einführung des neuen Logos bewiesen, dass sie diesen Ansprüchen keineswegs gerecht werden. Professionalität sieht anders aus.
Social Media & Organisationales Lernen
Dies musste auch GAP erkennen, als die Social Media Protestwelle auf das Unternehmen zuschwappte. Der Social Media Ausrichtung GAPs kam jedoch zentrale Bedeutung zu, stellte sie für das Modelabel zunächst einen Fluch dar, so kann sie im weiteren Verlauf als Segen für die Organisation betrachtet werden. Durch die immer größer werdende Bedeutung von internetbasierten Angeboten wie Blogs, Twitter und Social Networks verstärkt sich der Effekt, dass Nachrichten einen Weg gefunden haben, sich innerhalb von Sekunden zu verbreiten, ohne dabei vor örtlichen Grenzen Halt zu machen. Die harsche Kritik an allen Fronten bewies dies äußerst veranschaulichend.
Doch warum war das Internet gleichzeitig ein Segen für GAP?
Die aufkeimende Krise wies explizit auf die Unzulänglichkeiten der organisationalen Entscheidungen hin. Der Organisation offenbarte sich mehr als deutlich, dass die bisher gemachten Annahmen offenkundig unzulänglich und nicht zielführend sind. Hier setzte nun der Reflexionsprozess ein. Organisationales Lernen beruht auf Beobachtungen der organsationalen Umwelt. Wie nehmen mich Stakeholder wahr? Kommen meine Entscheidungen bei den Zielgruppen an? Wie äußert sich das in meinen Absatzzahlen?
Kann ich keine treffenden Aussagen über die Wahrnehmung meiner Stakeholder machen, wird der Lernprozess allerdings erschwert. Dann bleibt mir nur der langwierige Weg über Marktforschungsinstitute. Die Konsequenz: Kurzfristiges Reagieren auf Umwelteinflüsse wird unmöglich. Dadurch, dass auf diesem Wege keine direkte Interaktion zwischen Organisation und Stakeholdern stattfindet, wird das Radar für Feedback und Reaktionen auf organisationale Entscheidungen erheblich erschwert. Das kann mitunter teure Ausmaße annehmen, stellt man sich vor, GAP würde sämtliche Fillialen, Produkte, Merchandising-Produkte, … mit dem neuen Logodesign versehen und nach einem halben Jahr merken, dass die Absatzzahlen in den Keller gehen. Rückschlüsse auf das Logo wären dann jedoch nur auf Interpretationsgrundlage möglich, nicht mehr und nicht weniger. Solche Szenarien zeigen auf, dass Lernen (aus und von Krisen) eine wichtige Determinante für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation darstellt.
Aufgrund des Feedbacks auf Twitter und Facebook konnte GAP das Kernproblem sofort erfassen, die richtigen Konsequenzen daraus ziehen und das Logo daraufhin im Papierkorb verbannen. Hieran wird sehr gut deutlich, dass Krisenereignisse als ideale Lerngelegenheiten für Organisationen begriffen werden können.
„[…] Organizations go through a period of normative readjustment during which cultural changes are made that align beliefs and avoidance norms with new post-crisis information and understanding. New insights often lead to changes in organizational policies and procedures that incorporate new understandings [...]” (Premeaux & Breaux, 2007: 40).
Was kann aus der GAP-Logokrise gelernt werden?
- Organisationale Veränderungen, die sich auch auf die Organisationskultur auswirken, sollten sehr gut durchdacht werden. Die (Kern-)Zielgruppen sind eine wichtige Determinante in diesen Überlegungen.
- Ein Blick über den Tellerrand kann nie schaden. Bei tiefgreifenden Änderungen können möglicherweise Schlussfolgerungen aus anderen Krisen gezogen werden. So sind auch andere Firmen schon mit der Einführung eines neuen Logos auf Gegenwind gestoßen
- Social Media Monitoring kann für organisationale Lernprozesse äußerst nützlich sein
GAP tat gut daran, zügigst auf die Kritikwelle in der Netzcommunity zu reagieren. Aus den gemachten Fehlern wurde gelernt und nun heißt es, die gewonnen Kenntnisse festzuhalten und die Konsequenzen daraus zu ziehen, damit der gleiche Fehler nicht noch einmal passiert. Dies scheint GAP erkannt zu haben
“There may be a time to evolve our logo, but if and when that time comes, we’ll handle it in a different way” (GAP).
Quellen:
- Premeaux, S. F. & Breaux, D. (2007): Crisis Management of Human Resources. Lessons from Hurricanes Katrina and Rita. Human Resource Planning, 30(3). S. 39 – 47.
Schöner Beitrag. Hoffe doch, ein paar dieser Gedanken finden sich beispielhaft in der Master Thesis wieder.
Ja, das ein oder andere Beispiel wird Teil der Masterarbeit sein, dienen sie doch als gute Verständnisstütze für die ein oder andere komplexe Theorie. PS: Danke für das Lob
sehr schöner beitrag! was die konsequenzen bzw. die “learnings” aus dieser krise angeht, würde ich aber noch einen schritt weiter gehen: social media monitoring ist ein absolutes muss für unternehmen/organisationen dieser größenordnung mit derart diversen und verstreuten stakeholdern. und die marktforschungsinstitute haben sich hoffentlich schon warm angezogen. da droht eine eiszeit (die sie hoffentlich dank social media monitoring schon aufziehen sehen und die entsprechenden schlüsse daraus ziehen).
Dass heute und in Zukunft Social Media und das Monitoring dieser mehr und mehr Priorität in Organisationen haben sollte, sehe ich genauso. Die Wachstumsraten bei Facebook und Krisen, wie die oben dargestellte von GAP, unterstreichen das. Leider sieht die Realität oftmals dennoch anders aus (z.B. http://news.cnet.com/8301-1023_3-20019465-93.html). Allzu lang sollten die Augen allerdings nicht mehr davor verschlossen werden, denn die Möglichkeiten, die mit Social Media einhergehen, sind enorm, weiß man sie adäquat einzusetzen.