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Twittwoch in Mainz: Wer ist eigentlich @AZIngelheim?

Nach Frankfurt und Wiesbaden fand am gestrigen Abend in Mainz der 3. Twittwoch Rhein-Main (#twrm) statt. Auch erschwerte Anfahrtsbedingungen – sei es der steile Medienhügel oder das feierabendliche Verkehrsaufkommen – konnten die Twitteristi nicht von ihrer Anreise abhalten. Und die wiederum machte ihrem Namen alle Ehre: Nahezu das gesamte Publikum ist auf Twitter aktiv. Das relativiert vielleicht ein wenig Stephan Finks Feststellung, die Teilnehmer seien dieses Mal “nicht ganz so nerdig”.

Ziel des Twittwochs ist es, Unternehmen und Interessierten eine Austauschplattform zu bieten und die unterschiedlichsten Einsatzgebiete von Social Media vorzustellen. So standen dieses Mal Nutzung und Einsatz von Social Media bei Medien auf der Tagesordnung. In das Thema einführen durfte Michael Umlandt, der mit Marco Bereth ein gutes Jahr lang den Fake-Account @ZDFOnline auf eigene Faust betrieben hat, bevor beide die Möglichkeit bekommen haben, ganz offiziell für das ZDF zu twittern.

Stephan Fink: Herr Umlandt, klären Sie uns auf, was Sie für das ZDF tun?
Michael Umlandt: Twitter.

So führte Umlandt prägnant durch sein Potpourri an Daten und Fakten zu den Social-Media-Aktivitäten des ZDF: 60 Tweets werden von den beiden Jungs aus Baden-Württemberg im Durchschnitt pro Tag abgesetzt. Das macht inzwischen 64.523 Follower und 51.737 Tweets (Stand: 30.11.2011). Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf 4 Säulen: Die Stimmung im Netz einfangen, Fragen beantworten, einen Blick ins Unternehmen zu geben und Sendungen zu bewerben, selbstverständlich redaktionsübergreifend.

Twitter, so Umlandt, sei in erster Linie als Kanal zur Kontaktaufnahme zu betrachten. Ob beim ZDF oder jedweder anderer Organisation: Einblicke in das Unternehmen sowie der direkte Kundendialog haben ihm zufolge am meisten Gewicht. Zu reinen Marketingzwecken und als Nachrichtenschleuder solle Twitter hingegen nicht missbraucht werden. Diese Funktion erfülle auch ein RSS-Feed, so Umlandt. Auch von Erfolgrezepten will der Onlineredakteur nichts wissen. Grundregel beim Twittern: Mach kein Scheiß und bleib authentisch.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion nahm Umlandt die Rolle des Digital Natives ein. Gegenüber Lutz Eberhard (Chefredakteur Online, Verlagsgruppe Rhein Main) und Hans-Dieter Hillmoth (Geschäftsführer, Radio / Tele FFH GmbH) vertrat er die Meinung, dass Medien 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche so aktuell wie möglich Nachrichten übermitteln müssen. Soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook, Youtube und Google+ eignen sich hierfür hervorragend.

Auch wenn es die öffentlich-rechtlichen Sender durch GEZ-Einnahmen einfacher haben, Ressourcen für Social Media bereitzustellen, haben auch die privaten Medien – wenn auch unter erschwerten Bedingungen – die Bedeutung sozialer Netzwerke erkannt. Als “FFH-Urgestein” sieht Hilmoth seit Beginn an immense Vorteile für das Radio. War es zu Beginn der Digitalisierung die Anreicherung von Nachrichten um Text, Videos sowie Fotos und später neue Möglichkeiten der Übertragung, so sind es nun die sozialen Netzwerke, die vor allem als direkte Feedback-Kanäle ihren Wert zur Geltung bringen.

Dem schließt sich auch Lutz Eberhard an, der einen stetigen Bedeutungszuwachs in dialogorientierter Kommunikation sieht. Neben dem direkten Kontakt mit Lesern dienen Eberhard zufolge Twitter, Facebook und Co. vor allem als zentraler Magnet für das Traffic-Aufkommen auf den Nachrichtenseiten. Und je weiter der Zuwachs an Smartphones zunimmt, desto höher schnellen die Besucherströme. Auch @AZIngelheim bringt Eberhard Traffic ein, der sich mit dem Betreiber des Twitter-Feeds gerne mal treffen würde. Wer dahinter steckt? Das weiß bislang keiner. Aber die Möglichkeit besteht, dass es sich um einen geheimen Fake-Account von Michael Umlandt handeln könnte :)

Zum verlegerischen Selbstverständnis sind soziale Medien allerdings noch nicht geworden: “Verlage sind Tanker, die schneller werden müssen”, so Eberhard. Social Media sei hier der Erfolgsfaktor. Twitter als Nachrichtenradar sei wunderbar als Rechercheinstrument zu nutzen um tagesaktuell am Puls der Zeit Nachrichten auszusenden.

Einen Grund für das langsame Herantasten an Social Media sieht Eberhard auch im Mangel der Infrastruktur: So gibt es Content Management Systeme, die auf das Web ausgerichtet sind, mit denen aber nicht Zeitungen gemacht werden können. Und es gibt Zeitungs-Systeme, die im Web versagen. Hier verschlafe eine ganze Industrie einen Trend – das Newsdesk der Zukunft zu programmieren. Auch in Sachen Recherche müssen soziale Medien noch viel stärker in das Bewusstsein von Journalisten vordringen, stehen schließlich zeitliche Engpässe in TZ-Redaktionen auf der Tagesordnung.

Ob man mit Social Media Geld verdienen könne… da gingen die Meinungen auseinander. Fazit der Diskussion: Am Ende der Wertschöpfungskette lasse sich sicherlich über klassisches Advertising Geld verdienen. Ob User für Content letztlich Geld zahlen werden, kann nur die Zukunft zeigen. Wichtig hier – und da waren sich dann alle einig – ist, dass Journalisten durch den Wandel der Öffentlichkeit dazu gezwungen sind, ihre Rolle zu präzisieren und vermehrt auf ihre eigentlichen Stärken setzen müssen: als Aufmerksamkeitslenker, neutraler Beobachter des Geschehens in der Welt und im Netz und als Manager, die den mit der Digitalisierung einhergehenden Information Overload ordnen, sortieren und damit bewältigen können.

Nicht ohne Grund ergab die aktuelle JIM-Studie 2011, dass die Tageszeitung mit 40% (vor TV 29%) das vertrauenswürdigste Medium in der gesamten Medienlandschaft ist. Was Paid Content angeht: Das Angebot muss schlicht und ergreifend so wertvoll und interessant sein, dass man damit Geld verdienen kann. Daher heißt es: Anpassen an die Zukunft oder langfristig auf der Strecke bleiben. Social Media ist weder Hype, noch Trend. Die Mechanik dahinter wird auf jeden Fall fortbestehen, wenn auch plattformunabhängig. Ob es nun Facebook, Twitter oder Google+ ist, auf den man sein Pferd setzt – das weiß nur die Zukunft. Das Internet hat jedenfalls die Knappheit an Zugängen zur Öffentlichkeit beseitigt. Ohne allzu großen Aufwand kann nun jeder zum Kommunikator werden und sich an öffentlichen Debatten beteiligen. Und dies wird sich die Öffentlichkeit sicherlich nicht mehr nehmen lassen.

Die Twittwoch-Expertenrunde: Hans-Dieter Hillmoth, Michael Umlandt, Lutz Eberhard und Stephan Fink (von links)

Der #twrm hat mehr als 600 Tweets zu Tage getragen. Das Ziel, eine Austauschplattform zu bieten, wurde also erreicht. Daher bleibt nur zu sagen: Fortsetzung folgt. Der nächste Twittwoch findet am 1. Februar in Frankfurt statt, dann zum Thema Mobile.

Nachtrag: Das Video zum Twittwoch Rhein-Main ist nun auch online (via @aznachrichten).

 

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