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CSR. Auch Starbucks musste lernen

“Wie nachhaltig ist Nachhaltigkeit? Wie sozial soziales Wirtschaften? Wie ökonomisch die Moralisierung? Und kann man das managen? [...] Welche ökonomische Kraft hat eine erkannte gesellschaftliche Verantwortung für die Entwicklung neuer Kerngeschäfte? ” Fragen, die Brandeins vor etwas mehr als einem Jahr in den Raum warf und in der Antwort neue Zeiten des Wirtschaftens erkannte. Plötzlich wird versucht, in allen Bereichen des Arbeitslebens zu punkten: Was das Arbeitsverhältnis angeht, so wird auf einmal die Vielfalt und der verantwortliche Umgang mit den Organisationsmitgliedern betont, es herrscht Transparenz in den Produktionsabläufen, laut wird das Engagement in Hilfsprojekte verkündet, und und und. Fakt ist: Die gesellschaftliche Verantwortung hat die Bühne betreten und alle Scheinwerfer sind auf sie gerichtet.

 

Dies zeigt sich zum Beispiel an einer Krise, der sich Starbucks in der Vergangenheit stellen musste: Das 1971 gegründete Unternehmen konnte sich mit der Zeit immer größer werdender Popularität erfreuen. Jene Öffentlichkeit, der Starbucks seinen Aufstieg zu verdanken hat, war der Kaffeekette im Frühling 2007 ein Dorn im Auge, als sich äthiopische Kaffeebauern und westliche Lobbyverbände darüber beschwerten, Starbucks gehe mit den Bauern nicht “anständig” um (vgl. FAZ). Auch wenn sich die Krise durch eine Charmeoffensive abwenden hat lassen, so hat die lange Reaktionszeit (halbes Jahr*) doch auch einen Imageschaden und Kundenverluste hinterlassen.

Dass gesellschaftliche Verantwortung heutzutage nicht mehr einfach nur nebensächlicher Goodwill ist, zeigt sich eben genau an der oben skizzierten Krise. Geht man durch die Einkaufsstraßen einer Großstadt und vergleicht Starbucks mit der Konkurrenz, dann fällt auf, dass sich die Rahmenbedingungen (Inneneinrichtungen, Produktpaletten, Lage, …) angeglichen haben. Wenn allerdings ein Starbucks-Besucher für einen Kaffee tiefer in die Taschen greifen muss als anderswo, dann möchte er nicht nur hinsichtlich der oben aufgeführten Argumente überzeugt werden. Er möchte auch das Gefühl haben, beim Trinken kein schlechtes Gewissen gegenüber einem äthiopischen Bauern haben zu müssen.

“Just as corporations have been exhorted to practise corporate social responsibility (CSR), so too have consumers been charged with a responsibility to use their ‘purchase votes’ to effect positive social outcomes” (Caruana & Crane, 2008: 1495).

Die Unternehmenspolitik der Kaffeekette unterstreicht auch die Kritik des Markenberaters Karsten Kilian: “Bei einem Großteil der aktuellen CSR-Aktivitäten handelt es sich um PR-trächtige Lippenbekenntnisse – nicht mehr und nicht weniger” (csr-strategie.de). Diese Kritik findet sich auch bei Basu & Palazzo wieder:

“Although businesses have started to acknowledge the importance of corporate social responsibility (CSR) and a wide variety of initiatives have come to light (Nelson, 2004), the recent spate of corporate scandals, accounting frauds, allegations of executive greed, and dubious business practices has given ammunition to critics who have leveled a variety of charges, ranging from deception (Lantos, 1999) and manipulating perceptions (Wicks, 2001) to piecemeal adhocism (Porter & Kramer, 2002). Today’s climate of heightened scrutiny toward corporate behavior (Raar, 2002; Waddock, 2000) underscores, perhaps as never before, the need for conceptual robustness to guide CSR initiatives undertaken by firms” (Basu & Palazzo, 2008: 122).

Dass gesellschaftliche Verantwortung in den Fokus geraten ist, zeigt sich unter anderem auch daran, dass in der letzten Zeit immer mehr Wettbewerbe, Rankings und Foren das Licht der Welt erblicken, die Ausschau nach verantwortungsbewussten und nachhaltigen Unternehmen halten. So ist der Startschuss gefallen für die neue CSR-Plattform “Wirtschaft weiß-blau“, die sich unternehmerisches Engagement in Bayern auf die Fahne geschrieben hat (via @FinkFuchs). Die von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) am 09.Februar 2011 ins Leben gerufene Website gibt Auskunft darüber, wie gesellschaftliches Engagement aussehen kann. Sie erschließt für die Öffentlichkeit, in welchen Bereichen und in welchem Umfang sich die Betriebe in Bayern für die Gesellschaft einsetzen. Ein anderes Projekt stellt der Wettbewerb um den Deutschen Nachhaltigkeitspreis dar, eine renommierte Auszeichnung, die dieses Jahr zum vierten Mal vergeben wird (vgl. nachhaltigkeitspreis.de). Die Hamburger Unternehmensberatung Kirchhoff Consult erstellt hingegen aus den 90 größten europäischen Aktiengesellschaften alle zwei Jahre ein Ranking, das das gesellschaftliche Engagement der Organisationen bewertet. Hier wird in erster Linie der Frage nachgegangen, inwiefern die CSR-Aktivitäten mit dem Geschäftsmodell der Firma oder der Bildungs- und Erwerbsbiografie der CSR-Verantwortlichen zusammenhängen.

Es besteht demnach kein Zweifel: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, tun Organisationen gut daran, in den Wettlauf um moralisch sensible Kunden einzusteigen und sich durch gesellschafltiche Veranwortung und soziale Kompetenz eine gute Reputation aufzubauen. Günter Verheugen, als Industriekommissar bei der Brüsseler EU-Kommission zuständig für den Bereich CSR, ist sogar der Meinung, dass “nur sozial verantwortlich geführte Unternehmen dauerhaft ökonomisch erfolgreich [sind]: Eine systematisch gemanagte CSR erhöht die Wettbewerbsfähigkeit, führt zu besseren Bewertungen bei Analysten und stärkt den Zusammenhalt im Unternehmen” (Manager Magazin).

Die Zeichen der Zeit hat Starbucks jedenfalls erkannt und durch die Krise gelernt, dass man mit “Scheinheiligkeit” nicht mehr ohne Weiteres durchkommt. So positioniert man sich inzwischen als “responsible company [...] that listens to its stakeholders and responds with honesty to their concerns” (Quelle: Starbucks).

Quellen:

  • Basu, K. & Palazzo, G. (2008): Corporate Social Responsibility: A Process Model Of Sensemaking. In: Academy of Management Review, 33 (1). S. 122–136.
  • Caruana, R. & Crane, A. (2008): Constructing Consumer Responsibility: Exploring the Role of Corporate Communications. In: Organization Studies 2008, 29(12). S. 1495 – 1519.
  • Lantos, G. P. (1999): Motivating moral corporate behavior. In: Journal of Consumer Marketing, 16. S. 222–233.
  • Nelson, J. (2004): Multiplying the benefits. European Business Forum, Summer. S. 13–15.
  • Porter, M. E. & Kramer, M. R. (2002): The competitive advantage of corporate philanthropy. In: Harvard Business Review, 80(12). S. 57–68.
  • Raar, J. (2002): Environmental initiatives: Towards triple bottom line reporting. In: Corporate Communications, 7. S. 169–183.
  • Starbucks Coffee Company (2005): Striking a Balance. Corporate Social Responsibility. Starbucks Fiscal 2004 Annual Report @ http://www.starbucks.com/assets/csr-fy04-ar.pdf
  • Waddock, S. (2000): The multiple bottom lines of corporate citizenship: Social investing, reputation, and responsibility audits. In: Business and Society Review, 105. S. 323–345.
  • Wicks, A. C. (2001): The value dynamics of total quality management: Ethics and foundations of TQM. In: Business Ethics Quarterly, 11. S. 401–436.

 

*in Krisenzeiten eine halbe Ewigkeit

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